assir
Arafat hat sein ganzes Leben lang für eine freie unabhängige Staat
Palästina gekämpft - zunächst militärisch, dann auf politischer
Basis. Spätestens seit dem Osloer Abkommen jedoch führte Arafats
Handeln verstärkt zu den Fragen, ob es ihm wirklich um das palästinensische
Volk oder nur um seinen eigenen Machterhalt als Führer der Palästinenser
geht.
Geboren wurde er am 27. August 1929 in Ägypten. Nach dem Ende
seines Injenieur-Studiums in 1952 in Kairo ging Arafat nach Kuweit
zu arbeiten. In Kuweit gründete er mit Freunden die "al Fatah",
die noch heute wichtigster Bestandteil der PLO ist. "Al Fatah"
(vom arabischen Stamm "fataha") bedeutet wörtlich: "Öffnung",
auch "Eroberung". Die Männer der Fatah strebten eine Zerschlagung
Israels und eine Rückeroberung der verlorenen arabischen Gebiete
an. Arafat wollte - so lauteten jedenfalls die immer wieder vorgebrachten
Formeln der PLO - an die Stelle Israels ein säkulares, "sozialistisches"
Palästina für Muslime, Juden und Christen setzen.
Durch den Tod Jassir Arafats, des Vorsitzenden der PLO und der
palästinensischen Autonomiebehörde, hat Israel seinen ehemaligen
Partner beim Versuch eines Friedensprozesses verloren, der ihm
freilich jahrzehntelang, bis zum Abschluß des historischen Gaza-Jericho-Abkommens
im September 1993 in Washington, vor allem als Terrorist Nummer
eins gegolten hatte. Zuletzt hatte Israel den Palästinenser-Führer,
quasi zum alten Zustand zurückkehrend, als "politisch irrelevante"
Persönlichkeit stigmatisiert, die als Verhandlungspartner nicht
mehr in Betracht komme, und seinen Spielraum stark eingegrenzt,
ihn in seinem teilweise zerstörten Hauptquartier in Ramallah,
der Muqata, geradezu unter Hausarrest gestellt. Mehrfach stellten
hochrangige Mitglieder der israelischen Regierung in den letzten
Jahren, seit Ausbruch der zweiten "Intifada", sogar öffentlich
Überlegungen über eine eventuelle physische Eliminierung des palästinensischen
Präsidenten an, dem sie die Verantwortung für Terroranschläge
palästinensischer Extremisten zuschrieben.
"Das, was mich antreibt, die wertvollste Sache überhaupt,
die ich stets im Sinn habe, ist, die Würde des palästinensischen
Volkes wiederherzustellen und den Namen Palästinas wieder
auf die Landkarte des Nahen Ostens zu bringen", hatte Arafat
gesagt. Für ein 1993 in Washington unterzeichnetes Friedensabkommen
mit Israel wurde er gemeinsam mit den israelischen Spitzenpolitikern
Izchak Rabin und Schimon Peres mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Das Bild Arafats, der dem später ermordeten Rabin vor dem
Weißen Haus in Washington versöhnlich die Hand schüttelt,
hat sich im Gedächtnis der Weltöffentlichkeit eingeprägt.
Nach dem Scheitern des Friedensgipfels von Camp David im Sommer
2000 und während des seit vier Jahren andauernden Palästinenser-Aufstandes
distanzierten sich die USA und Israel zunehmend von Arafat und
lehnten ihn schließlich als Ansprechpartner ab. Die beiden
Staaten beschuldigten ihn, die Gewalt im Nahen Osten zu schüren.
Israel zerstörte sein Hauptquartier im Gaza-Streifen und
stellte ihn für mehr als zweieinhalb Jahre im Westjordanland
faktisch unter Hausarrest. Kritiker unter den Palästinensern
warfen Arafat vor, in den Palästinenser-Gebieten ein von
Vetternwirtschaft geprägtes Ein-Partei-System installiert
zu haben. Arafat bestritt die gegen ihn erhobenen Vorwürfe
stets und setzte seinen Kampf fort - trotz israelischer Versuche
ihn seines Amtes zu entheben.
Bestimmte Facetten seiner Lebens blieben bis zu seinem Tode
rätselhaft. Arafat war angetan von den Muslimbrüdern,
die sich gemäß der Lehre ihres 1949 ermordeten Führers
und Begründers Hassan al Banna gegen alles Fremde und Überfremdende
in Ägypten wie in der Welt des Islams aussprachen. Die Mischung
aus islamischem Eiferertum und arabischem Nationalismus, die zu
Beginn der Nasser-Ära am Nil vorherrschte, ist Arafat wahrscheinich
niemals ganz losgeworden, auch wenn er im Grunde immer säkularistisch
dachte.